Freitag, 29. Juli 2016

Der Flug des Samens

Wirklich gute Ideen pflanzen sich fort

Dr. Bernd Schmid über Kultur, Kraftfelder und den Beginn eines neuen Zeitalters


Kultur ist Dr. Bernd Schmids Lebensthema. Das ist zwar eine bewusst verkürzte Aussage, denn Schmids Leben ist reich an unterschiedlichen Themen. Aber dennoch kreist sein Denken und Wirken um Kultur als Kraftfeld. Bereits vor 45 Jahren hat er in seiner Promotion über die Sozialkultur des Lernens geschrieben. Vor rund 30 Jahren verwendete er in einem Interview den Begriff "Kultur" als Grundlage für das Zusammenleben in Gesellschaft und Wirtschaft. Dabei dachten damals alle, wenn sie "Kultur" hörten, ans Feuilleton, an Oper, Drama und Konzerte. In der Wirtschaft und damit auch im organisatorischen Denken drehte sich alles um Profit und Wachstum. "Erst seit den letzen Jahren dreht sich der Wind", resümiert Schmid, "die Wachstumsdynamik ließ nach und konnte damit nicht mehr alle Fehler und Schwachpunkte kompensieren". Und damit rückte Schmids Kulturbegriff in den Fokus, der das beschreibt, was das Zusammenleben und -wirken der Menschen auch im Beruf regelt und fördert. Oder um es mit Schmids Worten auszudrücken: 
"Kultur ist mehr eine Frage des Wie als des Was. Sie ist ein Kraftfeld, das nicht genau definiert werden kann, aber wirkt und im Ergebnis sichtbar wird. Denn die Kultur in einem Unternehmen gibt mit den Ausschlag für den zukünftigen Erfolg desselben und ob und wie die Mitarbeiter daran mitwirken."
   

engagiert, gestenreich und überzeugend: Schmid als Redner



Kultur, das sind gelebte Antworten

"Economy meets psychology", fällt mir dazu spontan ein, auch wenn ich nicht weiß, ob ich den Gedanken selbst formuliere oder unbewusst zitiere. Auf alle Fälle beschreibt dieser Satz einen Teil von Schmids Biographie. Denn nach dem Studium der Wirtschaftswissenschaften promovierte er in Erziehungswissenschaften und Psychologie und fand, wie bereits erwähnt, in der Sozialkultur des Lernens das Thema, mit dem sich auch noch heute, 45 Jahre später, intensiv beschäftigt. Zudem publiziert, referiert, berät er und hat mit dem isb ein Institut gegründet, um diesen Ansatz weiterzuentwickeln, zu vermitteln und zu teilen. Seine Verdienste wurden unter anderem mit dem Eric Berne Memorial Award und dem Life Achievement Award der Weiterbildungsbranche gewürdigt. 

Keine Rezepte und einfache Lösungen

Denn inzwischen beschäftigen sich auch mehr und mehr andere mit Schmids Themen. Wobei Schmid es niemandem bequem macht, keine Rezepte und Gebrauchsanweisungen verteilt, wie das Unternehmen der Zukunft auszusehen hat. Und damit nicht auf die Sehnsucht (der Wirtschaft) nach einfachen Lösungen reagiert. Erst habe man das Thema lange Zeit nicht wahrgenommen und jetzt möchte man schnell Instrumente einkaufen, um Probleme und Schiefstellungen zu beheben, stellt Schmid fest. Aber "one fits all" gebe es bei so komplexen Zusammenhängen nicht. Veränderungen hätten viel mit Verantwortung, mit Sorgfalt und Ressourcen zu tun. Im Kern gehe es immer um Menschen und darum, einen Beitrag zu leisten, damit es auch unseren Kindern und Kindeskindern gut gehen kann. Und das gelingt nicht durch reine Theorie: 
"Organisationskultur meint gelebte Antworten auf Fragen, wie Leistung und Lebensqualität vereinbar sind."
Wenn ich Dr. Schmids Worten folge, ergänze ich den Satz mit der Wirtschaft und der Psychologie um einen wesentlichen Aspekt: "Economy meets psychology with an appreciative, respectful attitute." Werte und Haltungen machen Bernd Schmidt Standpunkt aus. Daraus resultiert auch seine Kritik an dem globalisierten Wirtschaftssystem, bei dem es wenige Nutznießer und sehr viele Verlierer gibt. Auch mit dieser Kritik ist er inzwischen nicht mehr allein.

Dem Zeitgeist voraus

Als sein großes Talent beschreibt Dr. Bernd Schmid die Fähigkeit, Themen zu erspüren, die Jahre, manchmal auch Jahrzehnte später im allgemeinen Bewusstsein ankommen. Und in dieser Zeit entwickelt Schmid seine Ideen weiter, schreibt und spricht darüber, entwickelt umsetzbare und integrierbare Formen. So haben sich sein "Drei-Welten-Modell", seine systemische Weiterentwicklung der Transaktionsanalyse, die Theatermetapher und der Verantwortungsdialog (um nur einige zu nennen) als Inspiration und Gedankengut in Beratung und Coaching durchgesetzt. "Der Kulturentwicklung", spürt Schmid, "steht ein goldenes Zeitalter bevor".

Wenn die Zeit reif ist, verteilen sich Ideen wie Samen
(Foto: Bernd Schmid)
"Der Samen der besseren Idee muss oft lange auf den Pflug des Umbruchs warten." 

Nun sind viele Samen entwickelt und verteilt. Der Boden ist bereitet, diesen aufzunehmen und wachsen zu lassen. "So sind wir jetzt an der Schwelle mit der Kulturentwicklung etwas zu schaffen", ist Bernd Schmid überzeugt, "das uns substanziell und verantwortungsvoll in die Zukunft führen kann, wenn wir die Verantwortungsketten erkennen und annehmen."

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